Hartmut Pflaum über CIRCONOMY®-Hubs

»CIRCONOMY®-Hubs sollen zirkuläres Wirtschaften nach vorne bringen«

Interview vom 07.07.2022

Dr. Hartmut Pflaum ist Projektleiter der CIRCONOMY®-Initiative.

Um nachhaltige Produktion, nachhaltigen Konsum und zirkuläres Wirtschaften in der Praxis umzusetzen, braucht es systemische und technische Lösungen. Die Fraunhofer-Gesellschaft schlägt vor, das über ein deutschlandweites Netzwerk sogenannter CIRCONOMY®-Hubs zu realisieren. Welche Gedanken hinter dieser Idee stehen und wie eine Umsetzung dieser Hubs aussehen kann, erklärt Dr. Hartmut Pflaum im Interview. Er ist Projektleiter der CIRCONOMY®-Initiative.

Was sind CIRCONOMY®-Hubs?

Hartmut Pflaum: Dazu muss ich ein wenig ausholen… In Deutschland gibt es momentan keine übergeordnete Infrastruktur, Einrichtung oder Stelle, die Veränderungsprojekte hin zum zirkulären Wirtschaften koordiniert. Stattdessen existieren viele, zum Teil kleine Initiativen, die sich der Circular Economy verschrieben haben. Die sind für sich genommen alle gut, aber untereinander nicht vernetzt. Das führt dazu, dass viele von ihnen bei null anfangen und nicht voneinander lernen können. Zudem haben viele dieser Initiativen nur lokale oder regionale Reichweite. Diese Defizite wollen wir mit den CIRCONOMY®-Hubs ausgleichen.

Idealerweise widmet sich jeder Hub einem Themenschwerpunkt und bringt zirkuläres Wirtschaften in diesem Bereich voran. Und zwar indem passende Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Gesellschaft zielgerichtet und koordiniert zusammenarbeiten. Den Rahmen für diese transferorientierte Zusammenarbeit bildet die Marke CIRCONOMY®. Dahinter verbirgt sich u.a. die Selbstverpflichtung, zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen beitragen zu wollen. Zudem haben mehrere Fraunhofer-Institute eine Charta für Souveräne Wertschöpfungszyklen (SVC) erarbeitet, die so eine Art Satzung bildet. Sie basiert auf drei Strategien für zukünftige nachhaltige Produktionsweisen und Konsumstile: konsequente Umsetzung von Kreisläufen, Schaffung von nachhaltigen Werten sowie Notwendigkeit gestalterischer Souveränität.

Wie kann ich mir die Gründung eines CIRCONOMY®-Hubs vorstellen?

Hartmut Pflaum: Momentan sind auf Seiten der Forschung vor allem Fraunhofer-Institute involviert. Jedes von ihnen hat ein oder mehrere Themen zur Realisierung zirkulären Wirtschaftens im Blick, die es gerne bearbeiten würde. Zum Beispiel urbane Systeme, Zirkularität für erneuerbare Energien oder Recycling von Bauabbruch. Die beteiligten Institute überlegen dann: Was müssen wir uns anschauen, damit wir möglichst schnell in die Umsetzung kommen? Welche Partner brauchen wir dafür? Und wie können wir das Ganze finanzieren? Am weitesten sind da unsere Kolleginnen und Kollegen des Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg sowie der Fraunhofer-Institute IGB und IWKS. Gemeinsam haben sie ein Vorprojekt aufgesetzt, das auf die Gründung eines Hubs abzielt. Der Name: Circular Carbon Technologies (CCT).

Worum geht es bei diesem Vorprojekt?

Hartmut Pflaum: Im Fokus steht die Kopplung von Energie- und Rohstoffprozessen – beispielsweise zur Erschließung nicht-fossiler Kohlenstoffquellen ­– zur Kreislaufführung und Bindung von Kohlenstoff in Produkten sowie zur Integration dieser Technologien in Energie-/ Wirtschaftskreisläufe. Im endgültigen CIRCONOMY®-Hub sollen dann in lokalen Anwendungszentren Demonstratoren für Circular Carbon Technologies entstehen und unter Industriebeteiligung betrieben werden. Schließlich sollen die entwickelten Technologien in die industrielle Anwendung sowie bestehende, regionale Produktions- und Wertschöpfungsnetzwerke gebracht werden.

Die Ausrichtung ist also regional…

Hartmut Pflaum: In diesem Fall ist das so. Im Grunde sind zwei Arten von CIRCONOMY®-Hubs möglich. Sie können einerseits an einem Ort oder einem Campus entstehen, an dem z. B. ein neues Gebäude oder Technikum gebaut werden muss. Sie können andererseits auch virtuell realisiert werden. Sprich: Alles, was für die Umsetzung benötigt wird, ist bereits vorhanden – allerdings an unterschiedlichen Orten. Der Hub bringt diese Infrastruktur dann zusammen. Auch deutschland- oder europaweit.

Und wenn dann mehrere CIRCONOMY®-Hubs existieren: Wie sieht die übergeordnete Koordination bzw. das Management aus?

Hartmut Pflaum: Zunächst gibt es ja die bereits erwähnte gemeinsame Satzung – die Fraunhofer-Charta. Darüber hinaus verpflichten sich alle Partner, ihre Informationen mit allen zu teilen. Dadurch entsteht eine gemeinsame Daten-, Wissens- und Lernplattform, auf die alle zugreifen und von der alle profitieren können. Dort stellen wir auch das Wissen zur Verfügung, das bislang erarbeitet wurde. Zum Beispiel Know-how zu den vier Leitmärkten chemische Industrie, Ernährungswirtschaft, Energiewirtschaft und Bauwirtschaft. Oder Wissen über zirkuläre Geschäftsmodelle, um einen schnellen Transfer der Hub-Ergebnisse in die Praxis zu ermöglichen.

Forschungspartner von CIRCONOMY®-Hubs müssen aber nicht zwingend aus der Fraunhofer-Gesellschaft kommen?

Hartmut Pflaum: Auf keinen Fall. Universitäten, die Leibniz- oder die Helmholtz-Gemeinschaft sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Jeder CIRCONOMY®-Hub sollte mindestens Forschung und Wirtschaft zusammenbringen. Verbände, Gesellschaft und lokale Akteure sind sehr wünschenswert, aber kein Muss.

Wer könnte gesellschaftlicher Partner werden?

Hartmut Pflaum: Das könnten z.B. Vertreterinnen und Vertreter von Non-Profit-Organisationen sein. Greenpeace, WWF und BUND ebenso wie lokale Partner. Wenn ein CIRCONOMY®-Hub auf städtischer Ebene aktiv werden möchte, würden sich u.a. Agenda-21-Gruppen anbieten. Auch engagierte Privatpersonen sind willkommen. Dabei ist uns übrigens ganz wichtig, dass es nicht nur um Information, sondern auch um Beteiligung geht. Die gesellschaftlichen Partner sollen gestalterisch an den Prozessen mitwirken, die wir mit CIRCONOMY®-Hubs anstoßen wollen.

Befinden sich weitere Hubs bereits in Vorbereitung?

Hartmut Pflaum: An Ideen mangelt es nicht. Ganz im Gegenteil. Bei »Electric Powertrain« geht es beispielsweise um den Antriebsstrang in einem E-Auto – inklusive Batterie und allem, was dazugehört. Die beteiligten Partner machen sich Gedanken zur zirkulären Gestaltung. Momentan gibt es beispielsweise kein Rücknahmesystem für Akkus oder E-Motoren. Dabei sind dort wertvolle Metalle verbaut, die verloren wären, wenn sie im Elektroschrott landen. Aber wie bei vielen anderen in den Startlöchern befindlichen CIRCONOMY®-Hubs gilt es momentan, weitere Partner zu finden und die Finanzierung zu gewährleisten. Im Hintergrund ist also einiges in Bewegung.